Die Vorschlagsdetailseite zeigt den Inhalt und Lebenslauf eines Vorschlages. Hier kann man nachvollziehen
In letzter Zeit hat sich durch die verschiedenen Straßenbaustellen in der Nöldnerstraße, Lückstraße/Ecke Schlichtallee und Lückstraße/Ecke Sewanstraße gezeigt, dass es möglich ist, kurzfristig den Durchgangsverkehr des Viertels einzudämmen, die Wohnqualität zu erhöhen, die Lärmbelastung und Feinstaubbelastung des Gebietes zu reduzieren.
Ist es nicht möglich, dies (ergänzt mit Kiezblockkonzept/ Fahrradstraße/ Einbahnstraßen usw.) als Beispiel für eine dauerhafte Lösung zu nehmen, um die Bürger des Gebietes zu schützen?
Zuständigkeit: Straßen- und Grünflächenamt
Information des Fachamtes (08.12.2021):
Die im Anliegen vorgetragene Problematik ist leider kein Einzelfall. Auch von Bürgern anderer Wohngebiete sind analoge Sachverhalte berichtet und Gegenmaßnahmen gewünscht worden. Diese wurden bisher stets abschlägig durch die Straßenverkehrsbehörde beschieden.
Der Wunsch „quartiersfremde“ Verkehre aus dem eigenen Wohngebiet zu verbannen ist dabei rein menschlich natürlich nachvollziehbar. Die widmungsgemäße Nutzung von Straßen inkl. Fremdverkehren stellt in der örtlichen Konstellation und auch im allgemeinen Verkehrsbild per se keine Ausnahmesituation bzw. verkehrsrechtliche Eingriffsgrundlage dar. Das öffentliche Straßenland in Berlin besteht aus einer Symbiose zwischen dem bundeseinheitlichen Straßenverkehrsrecht (inkl. StVO) und den landesrechtlichen Bestimmungen des Straßengesetzes. Die Eingriffsgrundlagen auf verkehrsrechtlicher Ebene unterliegen dabei klaren Beschränkungen und Vorgaben.
Bisher basierten die fachlichen Einschätzungen der Straßenverkehrsbehörde auf den Anforderungen der Eingriffsermächtigung nach §45 Abs.9 StVO, welche ausführt, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Die erforderlichen besonderen Umstände und/ oder besonderen örtlichen Verhältnisse und Gefahrenlagen konnten nicht nachgewiesen werden. Erfahrungsgemäß beruhen Schilderungen von Anwohnern vorrangig auf subjektives Empfinden als auf tatsächliche Gegebenheiten.
Wegen der Zielrichtung „Gefahrenabwehr“ dient die Verkehrsregelungspflicht vordringlich der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs. Andererseits ist die StVO kein Mittel der kommunalen Selbstverwaltung, die alles ermöglicht, was im Sinne einer Stadtgestaltung wünschenswert wäre. Die Stadtgestaltung muss deswegen auch im Einklang mit den Eingriffsbefugnissen des § 45 StVO stehen.
Diesen Zusammenhang möchte ich gerne am Beispiel des häufig begehrten Zeichen 250 StVO erläutern. Die subjektive Annahme, dass eine Verbotsregelung mehr Sicherheit bringt, ist ermessenfehlerhaft und wäre somit rechtswidrig. Die Anordnung eines Verkehrszeichens muss im Sinne der Gefahrenabwehr erforderlich, angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Alle drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine rechtmäßige Entscheidung nach § 45 StVO zur AO des Zeichens 250 StVO zu treffen.
Erforderlich ist diese Maßnahme, wenn nur dieses Zeichen konkrete Gefahren, hier Verkehrsunfälle mit Radfahrenden, zu Fuß-Gehenden oder zwischen den am Verkehr Teilnehmenden, die ausschließlich auf nicht Anliegerverkehre zurückzuführen sind, verhindern könnte. Allein hier scheitert schon die Prüfung, weil es keine konkrete (Verkehrsunfallstatistik), sondern nur eine abstrakte Verkehrsunfallgefahr gibt. Es gäbe sonst keinen Grund mehr, nicht an jeder Straßeneinmündung Zeichen 250 anzuordnen.
Angemessen ist diese Maßnahme, wenn unter mehreren Möglichkeiten von Anordnungen, das Zeichen 250 StVO das geringste und wirkungsvollste Mittel wäre, um die vorgenannten Verkehrsunfälle zu verhindern. Auch diese Prüfung scheitert schon im Ansatz, weil die vorgenannten Problemsituation einerseits nicht vorliegt und zunächst mildere Verkehrsregelungen erwogen werden müssten, um die bestehenden Verkehre zu regulieren (ehe diese komplett verhindert werden).
Verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Maßnahme, wenn unter Abwägung der Rechtsgüter „Einzelinteresse“ gegenüber dem „Allgemeininteresse“ eine dem Allgemeininteresse überwiegender Sachverhalt vorläge. Die Mehrheit müsste durch objektive Sachverhalte (z.B. konkrete Verkehrsunfallgefahren) geschützt werden. Mangels Verkehrsunfällen liegt auch dieses Interesse der Allgemeinheit nicht vor, so dass das Einzelinteresse dem hinten ansteht.
Auch eine evtl. vorangestellte Immissionsbelastung konnte bisher nicht belegt werden, weshalb eine Anordnung zur Wahrung der Luftreinheit/ Lärmminderung, analog den Dieselfahrverboten der Innenstadt oder eine Freigabe nur für E-Fahrzeuge bisher nicht geprüft wurde.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass es zu den Verkehrsspitzen auf größeren übergeordneten Straßenverbindungen zu Stauerscheinungen kommt. Ebenso typisch sind in diesem Zusammenhang auch Umfahrungserscheinungen im Nebennetz. Wenn diese dann noch auf den Anwohnerverkehr treffen, ist die von Hause aus geringere Leistungsfähigkeit einer Wohngebietsstraße sehr schnell erschöpft. Es handelt sich bei diesen Erscheinungen jedoch um typische Zeugnisse eines Großstadtverkehrsbildes und diese differenzieren sich keineswegs anderen Lichtenberger bzw. Berliner Straßenbildern.
Ferner möchte ich erwähnen, dass die Teilnahme am Straßenverkehr grundsätzlich die ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme erfordert. Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird (§ 1 Straßenverkehrsordnung - StVO). Der Schwerpunkt der StVO liegt hierbei nicht auf den Rechten der Verkehrsteilnehmer, sondern weist klar auf die Verpflichtungen hin, die anderen gegenüber wahrzunehmen sind. Natürlich ist dabei den schwächeren Verkehrsteilnehmern höherer Schutz zuzusprechen. Jedoch kann dies nicht zu Lasten der eigenen Sensibilität und Aufmerksamkeit des gesamten Straßenverkehrs erfolgen bzw. auf Toleranz aufgrund von Fehlverhalten hoffen. Auch ist zu berücksichtigten, dass die StVO zur Aufrechterhaltung eines flüssigen Verkehrsablaufs, die Gewährleistung der Ordnung und die Vermeidung von Umweltbeeinträchtigungen vorsieht bzw. dafür Sorge zu tragen hat.