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Pressebericht

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Von Lichtenberg lernen

Berliner Zeitung |  20.02.2013

Von Claudia Fuchs
 

Seit Jahren können Bürger beim Etat mitbestimmen. Selbst in Südkorea interessiert man sich dafür. Künftig können sich die Bürger im Internet auch über die Vorschläge informieren.
 

Ein paar Monate ist es her, dass Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) eine ungewöhnliche Dienstreise antrat: Sie führte ihn mehr als 8 000 Kilometer weit in die südkoreanische Hauptstadt Seoul, wo er eine Woche lang Vorträge zum immergleichen Thema hielt – zu den Erfahrungen Lichtenbergs mit dem Bürgerhaushalt. Auf dem Gebiet nämlich ist der Ostberliner Bezirk weltweit Vorreiter: Seit 2005 können die 250 000 Lichtenberger mitentscheiden, wofür der Bezirk sein Geld ausgibt.
 
Natürlich steht dabei nicht der gesamte Etat in Höhe von 670 Millionen Euro zur Debatte, sondern jene 30 Millionen Euro, die frei verteilt werden können – auf Bibliotheken, Sportstätten, Senioreneinrichtungen, für Volkshochschulen, für Kultur, Umwelt oder den Neubau von Jugendfreizeiteinrichtungen. Im vergangenen Jahr flossen die Vorschläge von mehr als 10 000 Lichtenbergern in den Etat mit ein.
 
Das Modell des Bürgerhaushalts, das seine Premiere vor mehr als 20 Jahren im brasilianischen Porto Alegre erlebte (siehe Kasten), findet weltweit mehr Anhänger, inzwischen gilt Berlin-Lichtenberg als beispielhaft. „In Südkorea wurde 2010 ein Gesetz erlassen, dass allen Kommunen einen Bürgerhaushalt nach Lichtenberger Vorbild vorschreibt“, sagt Bezirksbürgermeister Andreas Geisel, der auch für Finanzen zuständig ist. Aus diesem Grund sei er eingeladen worden, über seine Erfahrungen zu berichten.
 
Diese seien fast durchweg gut, so Geisel. „Natürlich ist so ein Bürgerhaushalt mit viel Aufwand für die Verwaltung verbunden, aber im Gegenzug bekommen wir Vorschläge, auf die wir nicht gekommen wären.“ So sei in Lichtenberg beispielsweise angeregt worden, Bänke in den Parks umzustellen – aus der prallen Sonne in den Schatten. Dass es in der Anna-Seghers-Bibliothek im Linden-Center zahlreiche vietnamesischsprachige Bücher gibt, ist dem Bürgerhaushalt ebenso zu verdanken wie der Naturlehrpfad rund um die Rummelsburger Bucht.
 
Lob von der Bundeszentrale für politische Bildung
 
Es ist nicht das erste Mal, das Lichtenberg über seine Bürgerhaushalt-Erfahrungen berichtet. Geisels Amtsvorgängerin Christina Emmrich (Linke) war schon 2008 nach Südafrika eingeladen worden, um dort über die Mitsprache der Einwohner an der Etatplanung zu sprechen. Die Einladung hatte sie damals allerdings ausschlagen müssen, weil sie in Wien war, wo sie einen Vortrag zum gleichen Thema hielt. Auch in Hamburg, in Sevilla und in Bonn berichtete Lichtenberg über seinen Haushalt.
 
Lob für Lichtenberg kommt von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn, die Lichtenberg bei seinem ersten Bürgerhaushalt 2005 unterstützte. „Der Bürgerhaushalt gehört zu einer der effizientesten Methoden der Bürgerbeteiligung, weil hier jeder ein kompetenter Experte ist“, sagt Präsident Thomas Krüger. Lobenswert sei auch, dass das Konzept von allen Parteien mitgetragen werde.
 
Auch Bürgermeister Geisel ist überzeugt von diesem Modell. „Gerade in Zeiten mit großer Politikverdrossenheit und geringer Wahlbeteiligung ist so etwas wichtig“, sagt er. Es sei illusorisch anzunehmen, dass alle Lichtenberger mitreden wollen, aber 10 000 Menschen seien eine größere Legitimation als die 55 Bezirksparlamentarier, die bislang über den Etat abstimmten.
 
Im siebten Jahr seines Bestehens gibt es nun deutliche Änderungen. So wird sich das Bezirksparlament viermal statt einmal jährlich mit Vorschlägen der Bewohner beschäftigen – und wenig kostenintensive Vorschläge sollen möglichst gleich umgesetzt werden. Neu ist auch, dass die Beratungen auf 13 Stadtteilversammlungen und im Internet nicht den Etat vom übernächsten Jahr betreffen, sondern den nächsten. Und: Künftig wird im Internet Bericht über die Vorschläge erstattet. „Viele, die sich engagiert haben, haben nie mitbekommen, was aus ihrem Vorschlag wurde“, so Geisel.
 
Der neue Internetauftritt des Bürgerhaushalts ab Mittwoch unter www.buergerhaushalt-lichtenberg.de