Die Grünen im Abgeordnetenhaus setzen sich für eine stärkere Einbeziehung der Berliner Bevölkerung in die Haushaltsberatungen der Bezirke ein. Wie der haushaltspolitische Sprecher Oliver Schruoffeneger gestern erklärte, sollten die Bürger über alle Ausgaben mitbestimmen können - beispielsweise auch über die personelle Ausstattung der Bezirksverwaltungen und über Investitionen wie den Straßenbau oder neue Schulen. Den bislang in einigen Bezirken praktizierten sogenannten Bürgerhaushalt, bei dem Interessierte über die Vergabe eines kleinen Teils des Etats mitentscheiden können, bezeichnete Schruoffeneger als unzureichend. In Lichtenberg zum Beispiel stehen beim Bürgerhaushalt 30 Millionen Euro zur Disposition, der Gesamtetat beträgt jedoch gut 500 Millionen Euro. Da das Votum der Bürger nicht bindend ist, hät-ten die Bürger letztlich aber wenig Einfluss, so der Politiker. Zudem sei das Verfahren "langweilig und kompliziert".
Die Grünen plädieren dafür, die Bürger zu allen Ausgaben ihres Bezirks um ihre Meinung zu fragen und danach in eine "fachliche Diskussion über die politischen Ziele der Arbeit zu treten". Nur so, sagte Schruoffeneger, sei ein ausgewogener Haushalt möglich. Es gehe nicht um eine Abschaffung der repräsentativen Demokratie, sondern um mehr Mitbestimmung. Und wer Bürgerhaushalte ernst meine, so der Grünen-Politiker, müsse auch zulassen, dass in der Öffentlichkeit über das Prozedere diskutiert wird.
Bürgerhaushalte werden seit 1989 praktiziert, erstmals in Südamerika, inzwischen deutschlandweit in 20 Kommunen, in Berlin in den vier Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick. "Dabei geht es aber vielfach nur um Nebensächlichkeiten", sagt der Politikwissenschaftler Carsten Herzberg vom Deutsch-Französischen Forschungsinstitut für Sozialwissenschaften Centre Marc Bloch, der die Auswirkungen von Bürgerhaushalten in zehn Europäischen Ländern untersucht hat und die Grünen bei ihren "Leitlinien für Bürgerhaushalte" beraten hat. "Bei Bürgerhaushalten geht es bislang eher um einzelne Parkbänke als Investitionen oder die Ausrichtung von Politik", so Herzberg.
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