Berlin/Brandenburg
28.11.2007
Bürgerhaushalt mit Rekordbeteiligung
Lichtenberger bestimmen bereits zum dritten Mal in Folge Teile ihres Bezirkshaushalts mit
Von Martin Kröger
Die Nachfrage ist groß. In Spanien, in Österreich und in vielen Orten der Bundesrepublik wollen Verwaltungen, Bürgerinitiativen, linke und grüne Parteien von der Lichtenberger Bürgermeisterin Christina Emmrich (LINKE) wissen, wie das denn geht mit dem Bürgerhaushalt, bei dem die Bewohner eines Stadtteils ein Mitspracherecht bei der Verteilung ihrer Haushaltsmittel haben.
Selbst in Berlin hat der Bezirk Lichtenberg immer noch eine Alleinvertretungsstellung: In einigen Bezirken ist zwar ein ähnliches Partizipationsmodell wie in Lichtenberg in Planung, »da ist man aber noch nicht über das Drucken von Broschüren hinausgekommen«, erläutert Ernst-Ullrich Reich, der Leiter des Steuerungsdienstes des Bezirksamtes.
»Am 8. Dezember werden die Ergebnisse der Abstimmung auf der zentralen Abschlussveranstaltung im Audimax der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege ab 14 Uhr präsentiert.« Der Hinweis auf die Veranstaltung ist Bürgermeisterin Emmrich wichtig, denn dann haben die Bürger des Bezirks das letzte Mal die Chance, ihr Votum für den Bürgerhaushalt abzugeben.
Drei Möglichkeiten gibt es, sich zu beteiligen: 5000 Lichtenberger waren per Zufall ausgewählt und per Post mit der Abstimmungsliste versorgt worden, die sie zurücksenden sollen. Eine weitere Option besteht darin, bei der bis zum 30. November freigeschalteten Online-Abstimmung auf der Homepage des Bürgerhaushalts mitzumachen. Und als letzte Chance bleibt, die Abschlussveranstaltung am 8. Dezember zu besuchen.
Rund 140 Vorschläge haben die Bürger in diesem Jahr auf 13 Stadtteilkonferenzen und im Internet entwickelt. »Die Bürger hatten oft ähnliche Wünsche«, sagt Rainer Roscher, der Leiter des Stadtteilbüros Hohenschönhausen. Als Mitglied eines 14-köpfigen Redaktionsteams war Roscher daran beteiligt, die Vorschläge systematisch aufzubereiten.
Was aus dem Ideen-Fundus übrig blieb, steht nun zur Wahl. Insgesamt 31 Vorschläge haben Roscher und seine Mistreiter herausdestilliert. Liest man die Abstimmungsmöglichkeiten, fallen die jugend- und seniorenpolitischen Vorschläge auf: »Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher« findet sich auf der Wunschliste genauso wie der Erhalt der Musikschule und der kommunalen Seniorenbegegnungsstätten. Rund 31 Millionen Euro sollen insgesamt verteilt werden. Dies seien aber keine zusätzlichen Mittel, klärt Bürgermeisterin Emmrich auf. Der Gesamthaushalt bleibe gleich, die Bürger entscheiden lediglich über die exakte Verteilung. Wie die anderen Bezirke auch leidet Lichtenberg unter extremen finanziellen Engpässen.
Dennoch sei es wichtig, die vorhandenen Spielräume für Bürgerbeteiligung auszunutzen, findet Emmrich. Dass sich die Menschen für die öffentlichen Finanzen interessieren, belege schließlich auch die Teilnehmerzahl, die in diesem Jahr auf tausend Wähler ansteigen könnte. Doch umsonst ist die direkte Demokratie nicht. Rund 20 Cent kostet der Bürgerhaushalt pro Bewohner (257 000 Bewohner). Im Vergleich zum Vorjahr konnten die Kosten jedoch reduziert werden. »Außerdem ist das Thema uns das wert«, sagt Emmrich.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/120069.html